In Leipzig-Stötteritz – Begegnungsfest in Geflüchteten-Unterkunft: Umstrittener Demo-Anmelder als Unterstützer vor Ort

Zum Begegnungsfest an der Geflüchteten-Unterkunft in Leipzig Stötteritz kamen Vertreter von Vereinen und Kirche. Zu den Unterstützern gehört der umstrittene Demo-Anmelder Bernd Ringel.

Popmusik pulst aus der Ecke rechts vom Eingang. Becher mit Snacks stehen Spalier, Zuckerwatte wabert, der Austausch besteht aus Sprache, Gebärden und Bildern. Am Dienstag-Nachmittag haben das Sozialteam der Gemeinschaftsunterkunft in Leipzig-Stötteritz und seine Unterstützer ein Begegnungsfest gefeiert. Unter anderem mit einem Mann, den manche nicht vermutet hätten.

Kaum ist Bernd Ringel mit seinem Anhänger voll Ersatzmaterial an der Kommandant-Prendel-Allee 63 angekommen, umkreisen ihn mehrere Jugendliche. So gut wie jeden Dienstag steigt der Stötteritzer hier ab, um mit Geflüchteten Räder zu reparieren. Bekannt ist er seit rund drei Jahren vor allem als Anmelder von umstrittenen „Bewegung Leipzig“-Demos gegen Corona-Beschränkungen und -Impfungen sowie später gegen Waffenlieferungen in die Ukraine.

Eine Menge Ärger gehabt

Weil oft im Zug der Versammlungen Reichsflaggen sowie Fahnen der Identitären Bewegung und der als rechtsextrem eingestuften Freien Sachsen auftauchen, gilt Ringel als Sympathisant der rechtsradikalen Szene. Davon distanziert er sich: „Als Anmelder geht es mir gegen Hass und Hetze, und jeder Teilnehmer hat sich zu benehmen. Deshalb habe ich auch mit vielen Rechten schon Ärger gehabt.“

Er vollziehe einen Spagat. „Ich werde aus beiden Lagern kritisiert: Weil ich angeblich zu weit rechts oder zu weit links bin. Dabei bin ich einfach Demokrat.“ Dass er auf dem Gelände der Unterkunft an Fahrrädern schraubt, wurzelt in einem Angebot, das er während der Proteste gegen das Heim an die Pfarrerin von der Marienkirchgemeinde Stötteritz machte: Ringel wollte sich einbringen, Anna-Maria Busch nahm ihn beim Wort.

Er habe nichts grundsätzlich gegen die Unterkunft, sondern gegen das Provisorische aus Zelten und Containern. Geflüchteten müsse man gute Voraussetzungen schaffen, in ein neues Leben zu finden, sagt er. „Wenn sie nicht in unsere Mitte kommen, bleiben sie isoliert.“

„Keine kriminellen Vorfälle“

Mike Bienert, Leiter der Einrichtung, weiß um die Ringel-Vorgeschichten. Für ihn zählt, was der ehrenamtliche Helfer hier tut. „Er leistet sehr wertvolle Unterstützung.“ Zu den unter anderem von AfD-Vertretern im Vorfeld geäußerten Prognosen, die Kriminalität im gutbürgerlichen Umfeld würde steigen, sagt er: „Es gab null Vorfälle in dieser Hinsicht. Es läuft richtig gut.“

212 Bewohnerinnen und Bewohner hat das Areal derzeit. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Venezuela, Indien, aber auch aus Kolumbien oder Vietnam. Einer von ihnen ist Halbus Ahmat aus dem syrischen Deir ez-Zor. „Ich bin mit meinen drei Brüdern nach Deutschland gekommen“, sagt er. Täglich lernt er via Videos die deutsche Sprache. „Ich fühle mich hier wohl, aber natürlich hoffen wir, bald eine Wohnung zu bekommen.“

Aushänge zum Fest abgerissen

Zu den Unterstützenden der Einrichtung gehört Anna-Sylvia Goldammer, Mitglied im Bürgerverein Stötteritz und im Kirchenvorstand. Sie hat für das Fest zwei Kuchen gebacken und klare Ziele: Auf der einen Seite Solidarität mit den Geflüchteten zu signalisieren und auf der anderen Offenheit zu fördern. „Als ich hier Aushänge zum Begegnungsfest gemacht habe, wurden die nach kurzer Zeit wieder abgerissen“, sagt sie.

In Leipzig sorgten die Pläne für neue Geflüchteten-Unterkünfte mehrfach für Diskussionen und Unmut. Die Vorhaben für Lindenthal sowie Böhlitz-Ehrenberg hatten teils heftige Proteste nach sich gezogen. Bis November will die Stadt in Paunsdorf zwei Unterbringungsbereiche aus Zelten und Containern mit jeweils rund 300 Plätzen bezugsfertig machen.

Neue Zahlen zu Geflüchteten

Aus dem ab Mittwoch öffentlichen jüngsten Monatsbericht geht hervor: Ende Juli waren 5843 in städtischen Quartieren untergebracht. Für das laufende Jahr und darüber hinaus plant die Stadt, Objekte mit einer Gesamtkapazität von 1451 Plätzen einzurichten. Die geplante Gesamtkapazität liegt bei 8000 Plätzen.

Dass die Kommandant-Prendel-Allee 63 am Dienstag nicht zum großen Treffpunkt von Neuankömmlingen und der Bevölkerung wurde, hatte mehrere Ursachen: früher Beginn um 14 Uhr, drückende Hitze und anhaltende Berührungsängste bis Abneigung in einem Viertel, das zum großen Teil aus Wohneigentum besteht. Hier parkt nicht selten ein Wohnmobil neben der Skepsis gegenüber Fremden.

Immerhin – Vertreterinnen und Vertreter aus unterstützenden Vereinen und Organisationen sind vor Ort, um die Vernetzung zu stärken. Beispielsweise der Mühlstraße e. V., oder Stephan Vorwergk, Pfarrer des Stadtteilprojekts „Dresdner 59“, der neue Kontakte knüpfen möchte. Er lobt ausdrücklich Bernd Ringels Fahrradprojekt.

Der hat inzwischen an mehreren Rädern Schläuche gewechselt oder an Halterungen und Schaltungen geschraubt. Was seine Erfahrung seines bislang fünfmonatigen Engagements ist? „Helfen macht Spaß. Ich fahre immer mit einem guten Gefühl nach Hause.“